Die Pfarrkirche von Thernberg zählt zu den ältesten Gotteshäusern und Marienheiligtümern unseres Landes. Das immer wieder erwähnte Weihedatum von 1147 (auch das Jahr der Einweihung des Wiener Stephansdomes) ist leider nur durch ein Angabe in der „Chronicon Monasterii Reicherbergensis Ordinis Can. Reg. Lateranensium divi Augustini“ von 1785 belegt. Ältere Dokumente, die in Bromberg, der Mutterpfarre, archiviert waren, fielen mehreren Bränden zum Opfer. Außer Zweifel steht aber, dass um das erwähnte Jahr ein Rapoto in Thernberg gelebt hat und die Kapellen von Thernberg und Scheiblingkirchen bereits 1227 besondere Privilegien und Freiheiten genossen, also schon längeren Bestand haben mussten.
Die Kirche liegt im Zentrum Thernbergs. Nach Karl Kubes („Die Sakralarchitektur vom 10. bis zum Ausgang des 12. Jahrhunderts“, 1976) weist der Einstieg an der Westwand der Kirche darauf hin, dass die erste Burg gleich daneben stand und direkt mit der Kirche verbunden war. Nachdem die Burg mit eigener Kapelle auf dem Berg über dem Dorf errichtet wurde (um 1190), diente die Marienkirche im Dorf dem Gesinde und den Bauern der Herren von Thernberg. Die älteste Ansicht der Burg, des Dorfes und der Kirche zeigt die sog. „Menshengen-Karte“ von 1715, dem Jahr der Markterhebung Thernbergs.
Zum Grundriss ist folgendes zu sagen: Langhaus, Chor und Apsis bilden sich in Thernberg aus großen Steinquadern. Der Hauptraum hat eine Länge von ca. 15 und eine Breite von ca. 10 Metern. Daran schließt sich der Rechteckchor mit ca. 6 mal 8 Metern. Die Halbkreisapsis hat einen Durchmesser von ca. 6 Metern.
Die Kirche setzt sich aus einem rechteckigen, romanischen Langhaus mit drei Kreuzgewölbefeldern, von denen allerdings zwei späteren Umbauten zum Opfer fielen, einem eingezogenen Rechteckchor und einer eingezogenen Apsis zusammen. Nach der von Buchowiecki und Klaar erstellten Kirchentypologie handelt es sich um die Kombination zweier Kirchentypen: Der eine besteht aus Langhaus und eingezogenem Rechteckchor, der andere aus Langhaus und eingezogener Apsis. Die Langhauswand wird durch drei Lisenenhalbsäulen gegliedert, die Ecken werden durch breite gestufte Lisenen umklammert. An den Seiten des Chores wiederholt sich das Motiv der Lisenenhalbsäule jeweils einmal, ebenso die Ecklösung. Die Westwand wird durch ein Paar Lisenenhalbsäulen und drei steile, schmale Abschnitte zerlegt. Im mittleren Feld befindet sich der Einstieg zur vermuteten ehemaligen Westempore. An die völlig glatte östliche Stirnwand schließt sich die stark heruntergestaffelte Apsis an. Sie ist wesentlich reicher und auffälliger gegliedert als Schiff und Chorquadrat. Eine nur wenig hervortretende Sockelzone zieht sich um das Halbrund. Sie bildet die Auflage für vier vertikale Elemente der Strukturierung. Direkt an der Chorquadratwand beginnt der Halbkreis der Apsis mit einer breiten gestuften Lisene. Nach einer glatten Mauerzone mit kleinem Fenster folgen eine Lisenenhalbsäule, dann wieder Mauerzone mit Fenster und wieder Lisene, ein drittes und letztes Fenster und die gestufte Lisene, die auf die Chorquadratwand auftrifft. Die beiden Halbsäulen der Apsis schließen jeweils mit einem wiederum auf einem Lisenenstück gearbeiteten Würfelkapitell. Überfasst werden die Halbsäulen durch einen gestuften Rundbogenfries, wobei die Lisene in der Stufung des Frieses ihre Fortsetzung finden. Ein Halbrundstab bildet knapp unter dem Gesims des Halbkegeldaches den Abschluss nach oben.
Der gesamte Bau stellt sich als kompakter Block dar, der gegen Osten immer dichter gegliedert ist. Die in Schichten strukturierten Wände, durch die Halbsäulen stark vertikalisiert, wirken durch die Ecklisenen wie gerahmt. Die Gliederungselemente dominieren über die „dahinterliegende“ Wand.
Im Innenraum bildet die ehemalige Apsis die Eingangshalle mit einem inneren Durchmesser von ca. 2,70 Meter. Fensteröffnung und Wulst entsprechen der äußeren Gestaltung und sind, wie die restliche Mauer, teilweise mit Putz und Fresken aus dem 15.Jahrhundert bedeckt.
Glatt verputzt, mit der eingezogenen Orgelempore, öffnet sich das Chorquadrat in das zweijochige Langhaus. Die beiden quadratischen, bandrippengewölbten Joche sind durch einen stark hervortretenden, ca. 6o cm breiten Gurtbogen abgeschnürt. Die Linie des Bogens setzt sich in vorspringenden mächtigen Pfeilern mit Kämpfergesimsen fort. Die sich daraus ergebenden Ecken sind mit Lisenenhalbsäulen besetzt. Der Grundriss von 1783 der Thernberger Pfarrchronik zeigt eine Bestandsaufnahme des Baukörpers vor der barocken Modernisierung. Erkennbar ist die ungefähre Entsprechung der Lisenenhalbsäulen der Außenwände zu jenen des Innenraumes. Die acht Volldienste, aus Lisenen, Säulen und hohen, steil proportionierten Basen bestehend, sitzen auf dem Boden auf. Bekrönt werden alle acht mit Kämpferaufsätzen, sechs davon sehr einfach gehalten. Die beiden den Gurtbogen rechts flankierenden Aufsätze zeigen wichtige Unterschiede. Das Kapitell in der Nord-ost-Ecke des westlichen Jochs ist mit Blättern und Voluten geschmückt und nach unten mit einem kanelierten Halbrundstab begrenzt. Die darüberliegende Kämpferzone ist mit schlichtem Flechtwerk verziert. Das zweite auffallende Kapitell in der Nord-west-Ecke des östlichen Jochs ist zwar so schlicht wie die übrigen, hat aber einen ungewöhnlichen Kämpferaufsatz. Es handelt sich eher um ein Tier- als um ein Pflanzenmotiv und könnte als Vogel, der ein Blatt im Schnabel hält, gedeutet werden. Der Volksmund sprach von einer Friedenstaube.
Wie Karl Kubes nach Karl Oettinger meint, gehört Thernberg mit Heiligenkreuz, der Stiftskirche Klosterneuburg, der Burgkapelle Lichtenstein und dem Kapitelsaal von Zwettl zu einer Bautengruppe. Die starken Gemeinsamkeiten von Thernberg und Lichtenstein lassen die Annahme einer nahe beieinander liegenden Baubeginns zu. Selbst wenn die Burg von Thernberg möglicherweise nie am Fuße des Berges neben der Kirche gestanden ist, so entspricht doch die „Auftragssituation“ der von Lichtenstein. Beide Aufträge ergingen von zwei jungen, gerade an die Öffentlichkeit tretenden Adelsfamilien (Thernberg 1012, Lichtenstein 1136), sie waren mit ihren Burgen und Besitzungen im Aufbau begriffen, wozu teilweise auch gute Beziehungen zum Klerus gehörten. Außerdem unterstanden beiden die Bewachung wichtiger Straßen (Thernberg: Schlattental; Lichtenstein: Mariazellerstraße) Eine andere wichtige Vergleichskette kann man zur Rundkirche im benachbarten Scheiblingkirchen ziehen. Ihre typologische Bedeutung als Rundkirche soll hier hintangestellt werden, bedeutsam sind die geographische Nähe zu Thernberg, die angebliche Weihe im selben Jahr und besonders bestimmte Detailformen. Auch die Kirche St. Andreas in Hennersdorf lässt sich mit Thernberg, Lichtenstein und Scheiblingkirchen vergleichen, ihre Gestaltungselemente erlauben es, den Baubeginn in Hennersdorf in die Mitte des 12. Jahrhunderts zu stellen.
Thernberg gilt in der Architekturgeschichte des Mittelalters als bandrippengewölbte, zweijochige Eigenkirche des Typus rechteckiges Langhaus, eingezogener Chor und daran gefügter eingezogener Apsis. Diese Mischform findet man auch in der Kirche von Hochwolkersdorf, die ebenfalls eine Eigenkirche war und erst später zu Reichersberg kam. Im Gesamtbild der Reichersberger Gründungskirchen lässt sich eine eindeutig schlichte, mönchische Architektur mit geradem Ostabschluss feststellen. Beispiele dafür sind Bromberg, Lichtenegg oder Hochneukirchen. Im Gegensatz dazu stehen die prächtigeren Eigen- bzw. Burgkirchen Scheiblingkirchen, Thernberg, Hochwolkersdorf oder Lichtenstein.
Die Apsis, wie die gesamte Kirche, aus Tuffquadern erbaut, stellt sozusagen den kunstgeschichtlichen Taufschein der Kirche dar. Im Laufe der Jahre 1940 bis 1946 gelang es, nicht bloß die Säulen im Inneren, sondern auch das seinerzeit mit einer Kalk- und Mörtelschicht überzogene Steinquaderwerk fast zur Gänze freizulegen, sodass heute der ernste Charakter des Bauwerkes deutlich wird. Ein wunderschönes Beispiel romanischer Baukunst stellt das wuchtige, zum Großteil noch erhaltene Kirchenportal (jetzt Eingang von der Sakristei in die Kirche) dar, dessen Steinwerk ebenfalls in den Kriegsjahren freigelegt und dessen halbrundes Bogenfeld mit einem nach romanischen Motiven angefertigten schmiedeeisernen Aufsatz versehen wurde.
Im Jahre 1798 wurde die Kirche umgebaut, nicht unbedingt zu ihrem Vorteil. Die beiden an die heute den Orgelchor tragenden Säulen angelehnten Altäre der hl. Familie und des hl. Koloman mussten einer Raumgewinnung weichen. Der Hochaltar kam von der Apsis in das westliche Rundbogengewölbe, an welches eine neue Sakristei mit einem Oratorium angebaut wurde. An Stelle der früheren Sakristei wurde der Chorstiegenaufgang errichtet. Die einfache, empirestilartige Kanzel befand sich damals an der vorde-ren rechten Säule des Schiffes, wurde aber 1813 auf die gegenüberliegende Halbsäule aufgesetzt.
Der Hochaltar mit den beiden holzgeschnitzten, 1859 von Ignaz Haydn gespendeten Statuen des hl. Bernard und hl. Franziskus stammt aus Edlitz, hat barocke Formen und ist mit einem Tympanon gekrönt, welches ein Gemälde von Ruß, einem der Kammermaler Erzherzog Johanns, zeigt. Es stellt Gott Vater im Akte der Weltschöpfung dar und wurde vom Erzherzog der Kirche geschenkt. Der alte Altartisch mit Tabernakel wurde 1935 abgetragen und an seine Stelle trat eine neue Steinmensa (Reliquien des hl. Bruder Konrad, hl. Claudius und der hl. Speciosa bergend) mit einem ebenfalls neuen Tabernakel, einer Messingtreibarbeit.
Die barock gehaltenen Gemäldefenster zeigen die Bilder der Schutzpatrone der Jugend (Aloisius und Antonius), ferner die hl. Familie und den hl. Josef als Patron für die Sterbenden.
Einen besonderen Schatz besaß die Kirche in der „Thernberger Madonna“, welche jahrhundertelang am Hochaltar thronte, danach 1784 in Privatbesitz überging und im Jahre 1932 von Pfarrer Scherfler der Pfarrkirche zurückgewonnen werden konnte. Die Statue, ca. 130 Zentimeter hoch, ist aus Sandstein, bemalt und stammt aus der Mitte des 14. Jahrhunderts. Herzog Friedrich von Österreich widmete sie unserem Gotteshaus. Nach Meinung von Experten ist diese Statue deshalb von großem Wert, weil sie klare Zusammenhänge mit der zeitgenössischen italienischen Plastik zeigt, die sonst nirgends so klar hervorstechen. Von einigen Fachleuten wird sie als eine der berühmtesten und interessantesten Ma-donnenstatuen Österreichs bezeichnet. Gegenwärtig befindet sie sich als Leihgabe im Wiener Diözesanmuseum. In den Jahren nach 1784 besaß die Kirche eine holzgeschnitzte Madonna, welche aber auf seine Bitte hin Erzherzog Johann für seine Hauskapelle im Brandhof in der Steiermark zur Verfügung gestellt wurde. Als „Entschädigung“ übergab er der Kirche das bereits genannte Hochaltarbild sowie noch zwei ovale Ölgemälde, die Darstellung der Taufe Christi und die Mutter Gottes darstellend. Letzteres zierte nach dem Abtransport der Statue in die Steiermark den Hochaltar. Heute bilden beide Gemälde den Schmuck der Seitenwände des Presbyteriums.
Erzherzog Johann hat auch das überlebensgroße Kruzifix im Schiff der Kirche gespendet. Beim Anblick der Darstellung wird man an die Offenbarungen der hl. Brigitta erinnert: „Die Dornenkrone wird ihm fest auf das Haupt gedrückt (…) In ungezählten Läufen rann das Blut infolge der Eindrückung der Dornenstacheln über das Gesicht und füllt Augen, Bart und Haare. Die Rippen waren abgemagert und konnten gezählt werden, die Nase war spitz und dünn, und als das Herz am Brechen war, zitterte sein ganzer Leib (…) Heute hängt es auf der Chorempore.
Die Südwand des Orgelchores zeigt uns noch eine Widmung des Prinzen. Ein wertvolles Kreuzbild mit dem Fegefeuer. Dieses Ölgemälde stammt aus dem Jahre 1764 und verrät einen Menshengen als ursprünglichen Besitzer. Man kann am unteren Rand folgendes lesen: F(ranz). C(hristoph). M(aria). J(osef). E(dler). V. M(enshengen). Vermutlich schuf ein gewisser Norbert Paumgartner (1710 – 1773) dieses Bild.
Im Jahre 1944 gelangte die Kirche in den Besitz eines neuen Kleinodes. Der ehemalige Chefredakteur der Wiener Reichspost Dr. Friedrich Funder übergab dem Marienheiligtum eine holzgeschnitzte Madonnenstatue mit dem Jesuskinde aus der Sammlung des am 28.Juni in Sarajewo ermordeten österr. Thronfolgers Franz Ferdinand. Sie ist schwäbisch, um 1450, spätgotisch und erinnert an Skulpturen des Freiburger Münsters, bzw. ähnelt sie stark der Madonna des Gnadenbildes von Maria Einsiedeln in der Schweiz, sodass anzunehmen ist, dass die Figur aus der gleichen Werkstätte hervorgegangen ist.
Die Kirche besaß noch einige hübsche, stilgerechte Schöpfungen der Schmiedekunst: Ein dem romanischen Charakter des Bauwerkes Rechnung tragendes Kommuniongitter mit altromanischer Beschriftung: bone pastor – panis vere – Jesu nostri miserere (Guter Hirte, wahres Brot Jesus, erbarme dich unser), das nicht mehr in der Kirche, sondern auf dem Dachboden des Pfarrhofes vorhanden ist, und außerdem zwei romanische Rundreifluster nach Motiven der Kathedrale von Lleida (13. Jahrhundert).
Beachtenswert sind zwei Epitaphien der Thonradlschen Gruft. Es sind rotmarmorne Grabsteine, deren jeder in der Mitte einen Christus auf dem Kreuze mit einem davor knieenden Ritter in Rüstung, ohne Kopfbedeckung, mit zum Gebet gefalteten Händen und ihm gegenüber in der Gestalt einer ebenfalls knieenden Frau das Abbild der Gemahlin des hier Ruhenden zeigt. Der Text verweist auf Andreas Thonradl, der am 2. Februar 1566 starb, und auf seine Gattin Margaretha, der zweite auf Balthasar Christoph Thonradl, der am 25.12.1600 starb und seine Frau Affra.
Das Wappen der Thonradls ist darunter zu sehen: geviertelt, 1 und 4 quergeteilt (oben rot, unten silbern), darin aufrechtstehend ein halber Pfeil (im roten Feld silbern, im silbernen rot) 2 und 3 ein springender, goldener Hirsch im blauen Feld.
Ein dritter roter Marmorstein ist vor dem früheren Kommuniongitter in den Boden eingemauert und erinnert an Wolfgang Thonradl und seine Gattin Margarete, die Todestage der beiden wurden nie eingemeißelt.
In der Sakristei steht, aus Lärchenholz gearbeitet, der Beichtstuhl. Die Fassade schmücken ein Relief vom Guten Hirten und ein in der romanischen Kunst beliebtes Drachenmotiv.
Die Kirche wurde zunächst in den Jahren 1940 bis 1946 vollständig renoviert. Die Innenwände wurden trockengelegt, getönt, der Hochaltar und die sakralen Figuren restauriert, das Orgelgehäuse gestrichen und das romanische Steinwerk freigelegt, was der Obmann des Pfarrkirchenrates, Konrad Steiner, durchführte.
In den Jahren 1977 bis 1979 erfolgte eine neuerliche Renovierung in Zusammenarbeit des Stiftes Reichersberg, der Erzdiözese Wien, des Bundesdenkmalamtes, der Niederösterreichischen Landesregierung und der Thernberger Bevölkerung.
Bei diesen Renovierungsarbeiten kamen prächtige Fresken zum Vorschein, die von einem wahren Meister seiner Zeit hergestellt wurden. Aus einer Ausstattungsphase gegen Ende des 13. Jahrhunderts bzw. um 1300 stammen die Reste der Bemalung der Langhaus-Nordwand, vier Bildfelder mit einer darüber ansetzenden gemalten Wandgliederung und Fensterumrahmung, sowie die Medaillons am westlich ummittelbar angrenzenden Gurtbogen. In der ursprünglichen Apsis gibt es zwei Schichten von Malereine: Die frühere, mit einfachen Rahmenformen, Marmorierungen und einem Figurenfragment, könnte zeitlich etwa den Malereien im Langhaus entsprechen. Die Eigenart der späterern Bemalung ist durch die zum größten Teil vorhandenen figuralen Reste im Apsisrund gut dokumentiert.
Im Sturzbogen wurde eine Kette von tierischen und tierisch-menschlichen Körpern sichtbar, deren Bedeutung nicht restlos geklärt ist. Sie enthalten in dieser Zeit geläufige Tierdarstellungen, die im Gegensatz zu Physiologusillustrationen nicht in szenischem Zusammenhang, sondern isloliert wiedergegeben werden. Die Fabelwesen, an derern Existenz geglaubt wurde und die fester Bestandteil des mittelalterlichen Bildungsgutes waren, sind, da sie auch in naturkundlichen und geographischen Werken gemeinsam mit realen Tieren behandelt wurden, nicht spezifisch. Die Malereien sind ohne Putz auf den ockerfarbig geschlämmten Stein des Bogens gemalt. Die Oberfläche ist reduziert, die Zeichnung gut erhalten, die Farbschicht größtenteils verloren. Auf ockerfarbigem Grund die Medaillonrahmung, ursprünglich in Braunrot, die Blattformen in Ocker, Weiß und Blau; in eben diesen vier Farben sind auch die Tierdarstellungen hauptsächlich ausgeführt. Die Konturierung verrät Sicherheit und Lebendigkeit in der Gestaltung der in Bewegung festgehaltenen Tiere und Fabelwesen, weshalb eine Datierung um 1300 gesichert erscheint.
Geordnet sind sie in zehn Kreise, ein Drache ist außerhalb der Kreise als elftes Tier zu sehen. Er steht auf einem roten Balken und hat eine rote, lilienförmige Zunge. Dieses Bild der Lilie ist in allen Fresken stark vertreten.
Im ersten Kreis befindet sich ein Elefant mit einem Bauchgurt, der ein Haus mit einer Krone trägt, es könnte sich um die Darstellung eines Kriegselefanten handeln.
Der zweite Kreis beinhaltet einen Steinbock mit Bart und gespaltenen Hufen, der dritte zeigt uns eine Mensch-Tiergestalt. Der Unterleib entenähnlich, mit zwei Beinen, deren Vorderes wie ein Pferdehuf aussieht, das Hintere aber ein mit Schwimmhäuten ausgestattetes Bein sein könnte. Dieser Unterleib endet in einem zur Lilie geformten Fischschwanz. Der bräunlich gefärbte menschliche Oberkörper trägt auf dem Kopf eine grünliche Mütze, die in einer Troddel endet.
Der vierte Kreis könnte einen Panther darstellen, wogegen der Schädel, der nichts Katzenähnliches aufweist, spricht. Der fünfte Kreis ist wieder sehr interessant, stellt er doch eine zweischwänzige Nixe dar. Sie besitzt fast bis zur Hüfte reichendes helles Haar. An der Vorderseite sieht man noch die zeichnerischen Ansätze weiblicher Brüste. Beide Hände halten links und rechts die von einem braun gefärbten Wulst in der Nabelgegend her aufgebogenen grün-blauen Fischschwänze. Im sechsten Kreis befindet sich ein Hirsch und der siebente stellt wieder ein menschlich-tierisches Wesen dar, dessen Unterleib in einem gebogenen, spitzen Schwanz ausläuft, der im Vorderteil pfotenartige Beine besitzt. Der menschliche, braun gefärbte Oberkörper trägt in der ausgestreckten linken Hand einen dreieckigen Schild, dessen Oberteil bis zur Mitte grün bemalt ist, der spitze Unterteil soll weiße Farbe versinnbildlichen. Die rechte eingeknickte Hand hält ein ebenfalls grünes Schwert. Den Kopf ziert wieder eine grüne Mütze, deren Spitze in einer Lilie endet. Kreis acht symbolisiert ein Einhorn. Das Horn hat dunkelgrüne Farbe. Die Hufe und der Schwanzstummel sind dem des Steinbockes im zweiten Kreis gleich.
Die Figur des neunten Kreises ist schwer zu deuten. Der Unterleib ist wieder fischschwänzig, in grün-blauen Farben gehalten, mit Zwischen- und Endflossen versehen. Auf diesem tierischen Leib sitzt ein dunkelbrauner menschlicher Oberkörper. In beiden Händen befindet sich vermutlich ein Musikinstrument. Die Rechte hält zwei Stäbe, sie könnten Trommelschlägel sein, in der Linken befindet sich der vermutete trommelähnliche Gegenstand. Der Kopf war nur mehr bruchstückweise zu restaurieren, so lässt sich über ihn nichts Konkretes sagen.
Der zehnte Kreis stellt wieder ein katzenartiges Tier dar, dessen langer buschiger Schwanz und Pfoten löwenähnlich sind.
Zwischen den Kreisen befinden sich in dreieckiger Anordnung Blattgebilde, welche im entgegengesetzten Sinn grün bemalt sind.
An der rechten Seitenwand des Kirchenschiffes wurde vor dem Altarraum ein großangelegtes Fresko sichtbar, das sich über drei Fünftel der Wandfläche erstreckte. Die Wanddekoration besteht aus vier rot und grün gerahmten Bildfeldern – die rechten sind durch den Ausbruch eines barocken Fensters stark angeschnitten – und aus gemalten Rahmenformen, welche die architektonische Gliederung der Wand betonen. Außen links setzt in der Höhe der Kapitelle eine dem ursprünglichen Gewölbeanlauf folgende schwarze Bogenlinie an, die sich mit der aus einer roten Fugenmalerei bestehenden Umrahmung des heute vermauerten Rundbogenfensters trifft. Das dadurch gebildete seitliche Zwickelfeld war ursprünglich blau. Die Oberfläche ist in den vier Feldern mit Ausnahme des Verkündigungsengels, in dem sich Teile der Binnenzeichnung im Gewand erhalten haben, zerstört, von den übrigen Figuren sind nur Fragmente erhalten. Der Engel nimmt mit ausgebreiteten Flügeln, den Kopf leicht gesenkt, mehr als die Hälfte der Bildflläche ein. An seinem Fuß befindet sich ein Krug mit einem Zweig, rechts Farbreste vom Mantel Marias. Im rechten Bildfeld Fragmente einer Figur. Von der Darstellung links unten ist rechts eine thro-nende gekrönte Figur erkennbar, vor ihr, schwach ausnehmbar, Teil einer ockerfarbigen Gestalt. Ob es sich bei dem Thronenden um Herodes aus der Passion oder um einen König aus einer Heiligenvita handelt, kann nicht mehr festgestellt werden. Im rechten Bildfeld befindet sich eine stehende Heiligenfigur (Nimbus) mit einem geschulterten Stab. Eine genaue Einordnung ist infolge des schlechten Erhaltungszustandes nicht möglich. Anhaltspunkte für eine Datierung bietet der Engel, dessen stark zerklüftet wirkendes Gewand mit spitzen Faltenbrüchen ebenso wie die einfache Wanddekoration darüber für eine Entstehung gegen Ende des 13. Jahrhunderts spricht.
An den Seitenwänden der ehemaligen Apsis wurden ebenfalls sehr gut erhaltene Fresken geborgen. Die ornamentale Wandgliederung im Apsisrund ist aus den vorhandenen Teilen weitgehend rekontruierbar. Auch von der späteren ornamentalen Gesamtausstattung geben die Reste eine gute Vorstellung. Der älteren Schicht gehören die Rahmen um die drei Rundbogenfenster an, darüber zieht sich als optische Verbindung ein einfacher Rundbogenfries über die Fenster und die dazwischenliegenden Wandfelder. Unter dem südwestlichen Bogen befindet sich das Fragment einer Figur (Reste eines roten Mantels). An der Südwand findet man das Fragment eines Weihekreuzes unterhalb der weiblichen Heiligen, die der späteren Ausstattung angehören. Diese Ausstattung ist gegen 1400 zu datieren.
Dieser gehören ein Engel an der Nordwand an, an der Südwand die drei weiblichen Heiligen. Die Wandfläche unter und zwischen den Fenstern sowie unter den Figuren ist mit einem großformigen brokatartigen Schablonenmuster bedeckt, das unten durchgehend in gleicher Höhe mit geflammten marmorierten Feldern in Ocker, Rot und Blau abschließt. Die figuralen Darstellungen sind insgesamt gut erhalten. Die spärlichen, stilistisch unspezifischen Reste der älteren Schicht erlauben keine zeitliche Datierung. In den äußerst qualitätvollen Malereien der späteren Schichte manifestiert sich ein Gefühl für dekorative Werte, die sowohl in der Gesamtkomposition wie auch im Formalen und in der Farbwahl ihren Niederschlag finden. Der Figurenstil gehört der Entwicklungsphase vor 1400 an. Charakteristisch dafür ist die kompakte Körperlichkeit der Figuren, vor allem in der Gestalt des Engels, mit dem eng am Oberkörper anliegenden Kleid, den kurzen prallen Armen und dem dicken, kurznäsigen, pausbäckigen Gesicht, in dem realistische Tendenzen zum Ausdruck kommen. Die schwarze Konturierung und das Blau im Nimbus des Engels sind fast völlig abgefallen. Die Farbigkeit beschränkt sich auf Rot. Der stehende Engel mit gedrehter Kerze und Weihrauchfaß ist einem in grauer Steinfarbe vor blauem Hintergrund gemalten Sakramentshäuschen zugeordnet. Der Hang zum Dekorativen äußert sich in den Rahmenstreifen, dem Schablonenmuster und den prächtigen, überdimensionalen Flügeln. Über Werke der gleichen Entwicklungsstufe ragen die freieren, differenzierter ausgeführten, in der delikaten Farbgebung pastellhaft aufgehellten Figuren von Thernberg in der Qualität und „höfisch“ wirkenden Malkultur hinaus. Zu datieren gegen bzw. um 1400.
An der rechten Wand sieht man drei Frauengestalten in langen, wallenden und faltenreichen Gewändern und einem Glorienschein über dem Kopf. Das Gewand umspielt in diesen Figuren noch nicht in der für den „Weichen Stil“ typischen Weise den Körper, sondern umschließt ihn in nahezu geschlossener Kontur.
Die seitlichen Figuren sind einander, über die mittlere hinweg, zugewendet.
Die erste Figur stellt die hl. Katharina mit dem Rad dar, wobei der Kopf nicht erhalten ist. Die Legende erzählt, sie sollte gerädert werden, doch das Rad zerbrach und sie wurde enthauptet. Darum in der Freskodarstellung in ihrer linken Armbeuge ein Rad und an der rechten Seite ein stehendes Schwert.
Die zweite Figur stellt die hl. Barbara mit dem Ziborium (Gefäß zur Hostienaufbewahrung). Die rechte Hand hält das Gefäß, die linke weist leicht gebeugt an ihrem Körper abwärts, wo ein weißer Mörtelfleck beginnt. Man könnte annehmen, dass sich in der Verlängerung der Hand ein Turm befand. Sie wird nämlich üblicherweise mit einer Hostie über dem Ziborium oder einem Turm dargestellt. Die Legend spricht davon, sie wäre von ihrem Vater wegen ihrer außergewöhnlichen Schönheit in einem Turm eingesperrt worden.
Die „Dritte im Bunde“ ist die hl. Margareta. Sie hält in ihrer rechten Hand einen Drachen (Wurm), in der linken befindet sich ein Kreuz, das sie über der Brust hält. Die Legende besagt, sie wäre im Kerker vom Teufel in der Gestalt eines Drachens wegen ihres Glaubens hart bedrängt worden, sie aber verjagte ihn mit einem kleinen Kreuz.
Am Ende dieser Betrachtungen über die Geschichte der Pfarrkirche von Thernberg steht aufgrund verschiedenster Urkunden und der Tradition fest, daß es seit seiner Erbauung vor 850 Jahren eine Marien- kirche war und ist. Wenn sie im hl. Koloman einen zweiten Patron besitzt, so ist dies darauf zurückzuführen, daß in vergangenen Jahrhunderten Gotteshäuser wiederholt mehreren Patronen geweiht wurden und als zweiter vielfach jener Heilige genannt wurde, an dessen Fest die Weihe des Gotteshauses vor sich ging.
Entnommen aus der Festschrift „Die Marienkirche Thernberg“ – herausgegeben anläßlich ihres 850jährigen Bestehens 1147 – 1997